L E S E R B R I E F: Anregungen zur Diskussion in unserer Kirchengemeinde

Ein Leserbrief von Jochen Strehlau aus Sehnde

Mich bewegt seit Tagen, auch im Gespräch mit Freunden, die Frage „Was bewirkt die Corona-Krise in unseren Einstellungen zum Leben, jetzt und in Zukunft?“

Wenn es derzeit keine üblichen Gottesdienste geben kann, sollten wir nach anderen Kommunikationswegen Ausschau halten. – Ich erlebe es täglich in spontanen Gesprächen, z.B. mit Nachbarn und Fremden beim Einkauf bei EDEKA, auch i.S. von „Wir klagen aktuell auf hohem Niveau!“

Hier dazu einige Gedanken aus meiner Kinderzeit, ab ca. 1950 in der DDR:

  • Nach unendlichen Mühen konnte ich mit meiner Mutti von Halle/Saale aus meine liebste Oma in Lehrte nur kurz besuchen. – Danach litt ich mit der ganzen Familie unter dem Mangel an physischer Nähe, die sich viele Jahre zwischen Ost und West auf Briefe und Päckchen zu besonderen Anlässen reduzieren musste.
  • Vieles, was jetzt aktuell erzwungen und ungewöhnlich erscheint, war in meiner Kindheit ganz normal: Milch und Butter nur in geringer Menge auf Lebensmittelmarken erhalten / für eine Rolle mit 5 Harzkäsen mit Mutti über eine halbe Stunde vor dem Geschäft Schlange stehen / mit der überfüllten Eisenbahn aufs Land fahren, um gegen Schmuck u.ä. Lebensmittel einzutauschen / zum Wochenmarkt mit Einkaufsnetz gehen; nicht mit der Frage „Was wollen wir kaufen?“, sondern mit der Erwartung „Mal sehen, was es heute noch gibt!“ / auf dem WC ein Nagel mit Bindfaden an der Wand mit Stücken von Zeitungspapier, mit keineswegs so wischfester Druckerschwärze, die wir heute kennen / noch 1980(!!): meine Tante [79] in Halle hortet größere Mengen Briefpapier, das es gab, um bei Freundinnen damit Klopapier einzutauschen, das noch Mangelware war / es gab 1953 keine Häuser für die Modelleisenbahn zu kaufen  Opa konstruierte aus Verpackungsresten nach dem Motto „Not macht erfinderisch“ ein Bahnhofsgebäude / Ein Paket aus dem Westen mit Dingen, die es in der DDR nicht gab, wurde mit der ganzen Familie feierlich ausgepackt … u.a.m.
  • Das Coronavirus fragt nicht, ob Christ, Jude oder Moslem, sondern setzt uneingeschränkt durch, was Bibel, Frankreich (1789) und Grundgesetz postuliert: Gleichheit
  • Plötzlich sind Entscheidungen in der Globalisierung, auf Geld und Machtgier gegründet, Schall und Rauch – und wir merken, dass im Vaterunser die Aussage „DEIN Wille geschehe“ gar keine Floskel bleibt

Vielleicht gibt es auch unter Einhaltung der Sicherheitsabstände Kommunikationsmöglichkeiten unter uns, die wir jetzt auch ohne den Raum der Kirche nutzen könnten ?!

Jochen Strehlau, Sehnde


Leserbriefe sind keine Meinungsäußerungen der Kirchengemeinden-Redaktion. Die Kirchengemeinde behält sich vor, Zuschriften zu kürzen und sie ganz oder teilweise in Internet zu veröffentlichen.

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